Reisediarrhö
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Reisediarrhö

Durchfallerkrankungen sind weltweit die häufigste Reisekrankheit. Durch geeignete Maßnahmen lässt sich der sogenannten Reisediarrhö allerdings vorbeugen und durch Medikamente effektiv behandeln.

Definition

Der Reisedurchfall (Reisediarrhö), im Volksmund auch als Montezumas Rache bezeichnet, ist die häufigste im Zusammenhang mit Reisen auftretende Erkrankung. Sie liegt vor, wenn die Stuhlkonsistenz während einer Reise oder bis zu zehn Tage nach der Rückkehr verändert ist, es zu mehr als drei Darmentleerungen mit breiig-flüssigem Stuhl pro Tag kommt und gleichzeitig weitere Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen oder krampfartige Bauchschmerzen bestehen.

Je nach Reiseland erkrankt bis zu einem Drittel aller Reisenden an einer Diarrhö (medizinisch Diarrhoe geschrieben). In der Mehrzahl der Fälle verläuft die Erkrankung harmlos und die Symptome bessern sich bereits nach wenigen Tagen von allein. Allerdings sind die Beschwerden sehr unangenehm und können die Urlaubsfreude erheblich beeinträchtigen.

Es werden je nach Krankheitsverlauf drei Schweregrade unterschieden: Von einer leichten Reisediarrhö ist auszugehen, wenn die Bewegungsfreiheit durch den wässrigen Durchfall ohne Schmerzen nicht eingeschränkt ist. Ein mittelschwerer, moderater Reisedurchfall liegt vor, wenn eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit besteht. Von einer schweren Reisediarrhö ist auszugehen, wenn der/die Betroffene das Zimmer nicht verlassen kann und das Bett hüten muss.

Statistisch zeigt die Reisediarrhö in rund zehn Prozent der Fälle einen moderaten bis schweren Verlauf. Die Betroffenen sind länger als eine Woche krank und benötigen medizinische Hilfe. Es ist dabei zwischen akutem und chronischem Durchfall zu unterscheiden. Die chronische Reisediarrhö hält länger als 4 Wochen an, besteht daher zumeist auch noch nach der Reiserückkehr und bedarf der diagnostischen Abklärung.

Täglich erkranken weltweit rund 40.000 Urlauber*innen an einer Reisediarrhö. Die Häufigkeit ist vom Reiseland abhängig. Hoch ist das Risiko in Südasien, in Afrika südlich der Sahara und in Südamerika. In diesen Regionen erkranken über 20 Prozent der Reisenden. Reisende nach Südostasien, dem Mittleren Osten, Nordafrika, Mittelamerika, der Karibik und Ozeanien sind seltener betroffen. Bei ihnen liegt die Durchfallhäufigkeit zwischen 8 und 20 Prozent. Allerdings ist mit einer Reisediarrhö nicht nur bei Fernreisen zu rechnen. Auch bei Reisen im Mittelmeerraum kommt es bei bis zu 8 Prozent der Urlauber*innen zu Reisedurchfall. Die Reisediarrhö tritt meist bereits innerhalb der ersten beiden Reisewochen auf.

Das Erkrankungsrisiko hängt von mehreren Faktoren ab. Das ist zum einen die Art zu reisen, wobei Rucksacktouristen einem höheren Risiko ausgesetzt sind als Menschen, die sich fast ausschließlich in Hotels aufhalten. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko besteht außerdem bei Personen mit geringer Magensäurebildung und solchen, die magensäureblockierende Medikamente einnehmen. Es scheint zudem ein gewisses genetisch bedingtes Risiko für die Entwicklung einer Reisediarrhö zu geben. Das kann erklären, warum einzelne Gruppenmitglieder erkranken und andere nicht, obwohl alle die gleichen Speisen und Getränke zu sich genommen haben.

Ursachen des Durchfalls sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bakterielle (ca. 80%) Erreger, nachrangig auch Viren (ca. 10%). Sie werden zumeist mit Speisen und Getränken aufgenommen, was durch die hygienischen Standards und die Art der Lebensmittelzubereitung und -aufbewahrung in vielen Reiseländern bedingt ist.

Am häufigsten werden Reisedurchfälle durch Fäkalkeime, die sogenannten Kolibakterien (Escherichia coli, E. coli) verursacht. Seltener geht die Reisediarrhö auf andere Bakterien wie Camphylobacter, Salmonellen, Ruhr- oder in sehr seltenen Fällen Choleraerreger zurück. Die häufigsten viralen Erreger sind Noroviren.

Ebenfalls selten mit etwa 10%, aber meist schwerwiegender, sind Erkrankungen durch einzellige Parasiten (Protozoen). Die wichtigsten Vertreter sind Blastozysten und Cryptosporidien, die bekanntesten Stuhlparasiten, Lamblien und Amöben, werden heutzutage nur noch selten gefunden.  Auch Darmwürmer können anhaltenden Durchfall verursachen. Parasitärer Reisedurchfall tritt häufig erst zeitverzögert einige Wochen nach der Rückkehr von der Reise auf.

Zu den charakteristischen Durchfall-Symptomen gehören ein meist plötzlich auftretender, nicht blutiger, dünnflüssiger bis wässriger Durchfall sowie ein massiver zwanghafter (imperativer) Stuhldrang. Ferner kommt es häufig zu krampfartigen Bauchschmerzen und Übelkeit, 10 bis 20 Prozent der Betroffenen leiden unter Erbrechen, Fieber und/oder blutigem Durchfall.

Bestehen außer dem akuten Durchfall nur Übelkeit, Bauchschmerzen oder ein imperativer Stuhldrang, ist von einer unkomplizierten Reisediarrhö auszugehen. Bei blutigem, schleimigem Durchfall und/oder Fieber sowie über Tage anhaltenden Beschwerden liegt eine schwere Erkrankung vor. Diese Symptome sind Anzeichen dafür, dass die Darmwand durch die Infektion geschädigt worden ist. Diese schwere Form der Reisediarrhö bezeichnet man auch als Dysenterie. Sie bedarf einer speziellen Behandlung. Daher sollte bei solchen Symptomen möglichst schon im Reiseland ein Arzt/eine Ärztin konsultiert werden.

Die Reisediarrhö tritt typischerweise in der ersten beiden Urlaubswoche auf. Das kann, je nach Reisedauer, zur Folge haben, dass die Urlaubsfreude der Betroffenen massiv eingeschränkt ist. Der Aufenthalt am Strand muss oft gestrichen werden, ebenso Ausflüge, um stets in der Nähe einer Toilette zu sein. In schwereren Fällen ist zudem ein Besuch der ärztlichen Sprechstunde und möglicherweise Bettruhe angezeigt.

Die Erkrankung ist dennoch bei ansonsten gesunden Erwachsenen in aller Regel harmlos und klingt meist innerhalb von drei bis fünf Tagen ab. Hält der Durchfall jedoch länger an oder ist er schmerzhaft, blutig oder von Fieber begleitet, sollte unbedingt ein Arzt/eine Ärztin aufgesucht und eine Durchfall-Therapie eingeleitet werden. Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder, Schwangere, ältere Menschen und chronisch Kranke. Denn mit dem Durchfall kommt es zu einem erheblichen Verlust an Flüssigkeit und Mineralstoffen (Elektrolyten), was vor allem bei den oben genannten Risikogruppen zum Kreislaufkollaps und eventuell zum Nierenversagen führen kann.

Zu beachten ist ferner, dass die Reisediarrhö neueren Erkenntnissen zufolge bei einem kleinen Anteil der Patient*innen weiteren Erkrankungen wie etwa einem Reizdarmsyndrom und auch depressiven Verstimmungen den Weg bahnen kann.

Es kann zudem über die Reisedurchfälle zum Einschleppen Antibiotika-resistenter Bakterienstämme durch Reiserückkehrende kommen. Diese Bakterienstämme müssen bei den Betreffenden nicht unbedingt Beschwerden verursachen. Sie können im Heimatland aber beispielsweise immungeschwächten Personen im nahen Umfeld gefährlich werden.

Diagnose

Die Diagnose „Reisediarrhö“ ergibt sich in aller Regel durch die Symptomatik des Betroffenen. Halten die Durchfälle an oder besteht eine ausgeprägte begleitende Symptomatik beispielsweise mit schweren krampfartigen Bauchschmerzen, Fieber oder blutigem Durchfall, so ist eine weiterführende Diagnostik erforderlich. Es geht dann darum, anhand von Stuhluntersuchungen den Erreger zu ermitteln, um eine zielgerichtete Therapie einzuleiten.

Therapie

Tritt ein Reisedurchfall auf, so ist es zunächst wichtig viel zu trinken, um den durch die Diarrhö bedingten Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Hilfreich sind das Trinken von gezuckertem Tee und der Verzehr einer gesalzenen Suppe. Cola-Getränke sind entgegen der landläufigen Meinung eher ungünstig, denn sie enthalten neben zu viel Zucker auch Koffein, das die Darmtätigkeit anregt und damit den Durchfall sogar fördern kann.

Am besten gelingt der Ausgleich der Flüssigkeits- und Mineralstoffverluste durch eine Glukose-Elektrolytlösung, die oral eingenommen wird. Solche Lösungen sind in der Apotheke erhältlich. In schweren Fällen kann zum Ersatz der Flüssigkeit und der Mineralstoffe eine Infusionsbehandlung notwendig werden.

In manchen Fällen kann neben dem Ausgleich der Flüssigkeits- und Mineralstoffverluste (Rehydratation) eine Behandlung mit Medikamenten sinnvoll sein. Es ist deshalb ratsam, bei Reisen in Risikogebiete entsprechende Medikamente gegen Reisedurchfall (Antidiarrhoika) vorsorglich in der Reiseapotheke mit sich zu führen.

Üblicherweise wird beim Auftreten einer Reisediarrhö zunächst mit einem Wirkstoff behandelt, der die Darmbewegungen hemmt (Motilitätshemmer). Die bekanntesten Durchfalltabletten enthalten den Wirkstoff Loperamid.

Daneben kann eine Behandlung mit Antibiotika erforderlich werden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Wirkstoffen, die lokal im Darm wirken und Substanzen, die systemisch – also auf den ganzen Körper – wirken. Beide Antibiotika-Typen müssen von einem Arzt/einer Ärztin verordnet werden und können bei mittelschwerem bis schwerem Durchfall eingesetzt werden, wobei lokal wirksame Antibiotika nur bei Verläufen ohne Fieber oder Blut im Stuhl eingenommen werden dürfen. Im Vergleich zu systemischen Antibiotika profitieren lokal wirksame Antibiotika von einem geringeren Nebenwirkungsprofil und deutlich weniger Resistenzbildungen.

Den Empfehlungen einer Fachkommission zufolge sind bei der Behandlung des Reisedurchfalls folgende Regeln zu beherzigen:

  • Eine leichte Reisediarrhö ohne Einschränkung der Bewegungsfreiheit muss, von allgemeinen Maßnahmen abgesehen, nicht zwingend behandelt werden. Man kann allerdings Loperamid einnehmen, wenn die Anzahl ungeformter Stühle reduziert werden soll. Die Einnahme von Antibiotika wird nicht empfohlen.
  • Eine mittelschwere Reisediarrhö mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit kann neben dem Ausgleich von Flüssigkeit und Elektrolyten auch medikamentös behandelt werden, um eine rasche Heilung zu erwirken. Zur Reisedurchfall-Therapie geeignet ist Loperamid am besten in Kombination mit einem Antibiotikum.
  • Schwere Fälle sollten mit Antibiotika, gegebenenfalls in Kombination mit Loperamid, behandelt werden.

Vorbeugung

Da sich Krankheitserreger in der Wärme tropischer und subtropischer Länder sehr rasch vermehren können, ist auf eine besonders gute Hygiene zu achten. Dazu gehören das regelmäßige ausgiebige Händewaschen und ein besonders sorgfältiger Umgang mit Lebensmitteln und Getränken.

Bisher galt bei der Nahrungsmittelaufnahme in Risikoregionen der Grundsatz: „peel it, boil it, cook it or forget it“ (Schäle, brate, koche oder vergiss es). Diese traditionelle Regel aus der britischen Kolonialzeit ist mikrobiologisch plausibel. Denn nur wenn Speisen frisch gebraten und in einer Temperatur von mindestens 60 °C serviert werden, besteht nachfolgend eine geringe Gefahr einer Darminfektion. Gemäß den meisten Studien haben derartige Restriktionen die Quote der Reisenden mit Reisediarrhö aber nicht gesenkt. Bei Getränken sollte man aber grundsätzlich auf original verschlossene Behältnisse achten und auf Eiswürfel verzichten. Wasser sollte unbedingt abgekocht werden. Es ist ratsam, den Verzehr von Meeresfrüchten – vor allem Austern –, Salaten, rohem Fisch, nicht durchgegartem Fleisch und Speiseeis zu vermeiden.

Eine wirksame Impfung gegen die Vielzahl von Erregern, die zu Reise­durchfall führen können, gibt es bislang nicht. Zwar sind Impfungen gegen Cholera und Typhus möglich, diese schützen jedoch nicht vor der durch Fäkalkeime verursachten Reisediarrhö. Eine prophylaktische Anwendung von Antibiotika kann ebenfalls nicht empfohlen werden.