Autoimmun­hepatitis
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Autoimmunhepatitis

Bei der Autoimmunhepatitis handelt es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung der Leber, bei der das körpereigene Immunsystem Leberzellen angreift.

Definition

Als Autoimmunhepatitis (AIH) wird eine chronisch verlaufende, entzündliche Lebererkrankung bezeichnet, die auf einer Fehlsteuerung des Immunsystems beruht. Dabei greifen körpereigene Immunzellen die Leberzellen an und es kommt zur Bildung sogenannter Autoantikörper. Diese richten sich gegen die körpereigenen Leberzellen, was eine chronische Leberentzündung (Hepatitis) zur Folge hat.

Die Ursache der Fehlsteuerung des körpereigenen Immunsystems ist nicht bekannt. Es ist von einer genetischen Veranlagung (Prädisposition) auszugehen, die jedoch als alleiniger Faktor das Entstehen der chronischen Lebererkrankung nicht erklären kann. Neben angeborenen (genetischen) Faktoren werden Infektionen mit Viren oder Bakterien sowie eine Fehlregulation von bestimmten, das Immunsystem beeinflussenden Eiweißstoffen (Zytokinen) und weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) diskutiert. Es wird davon ausgegangen, dass für die Ausbildung der Autoimmunhepatitis mehrere verschiedene Faktoren zusammenkommen müssen.

Eine AIH kann relativ mild, oftmals unbemerkt und ohne gravierende Symptome verlaufen. Sie kann allerdings auch mit der Entwicklung einer Leberfibrose (zunehmende Ersetzung des Lebergewebes durch Bindegewebe) einhergehen. Diese kann zu einer Leberzirrhose (narbige, bindegewebige Umwandlung der Leber) und schließlich zum akuten Leberversagen fortschreiten. Etwa ein Viertel der Patient*innen mit einer Autoimmunhepatitis hat bei deren Diagnose bereits eine Leberzirrhose entwickelt.

Nicht selten besteht neben der AIH eine weitere, sogenannte cholestatische Lebererkrankung wie die primär biliäre Cholangitis (PBC) oder die primär sklerosierende Cholangitis (PSC). Die AIH kann außerdem mit anderen, nicht die Leber betreffenden Autoimmunerkrankungen wie einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis) oder einer rheumatoiden Arthritis assoziiert sein.

Die Autoimmunhepatitis ist eine seltene Erkrankung. Hierzulande sind rund 20 von 100.000 Personen betroffen. Die Krankheitshäufigkeit zeigt eine steigende Tendenz.

Eine AIH kann in allen Altersgruppen auftreten. Überproportional häufig entwickelt sie sich im jugendlichen Alter und in der Altersgruppe der 45- bis 55-Jährigen. Frauen sind rund dreimal häufiger betroffen als Männer.

Eine Autoimmunhepatitis äußert sich meist durch unspezifische Beschwerden. Dazu gehören eine vergrößerte Leber, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Juckreiz, Schmerzen im rechten Oberbauch sowie Gelenkbeschwerden (Arthralgien). Es können außerdem ein allgemeiner Leistungsabfall, Appetitlosigkeit, heller oder entfärbter Stuhl, dunkler Urin und eventuell auch Fieber auftreten.

Bei Patient*innen, die im Zuge der AIH eine Leberzirrhose entwickelt haben, sind oft weitere Symptome einer chronischen Lebererkrankung zu beobachten, zu denen auffällige Hautveränderungen wie beispielsweise Spider naevi (Lebersternchen) oder Palmaerythem (rote Handflächen) zählen. Im fortgeschrittenen Stadium können weitere Leberzirrhose-Symptome auftreten wie Gelbsucht (Ikterus, Gelbfärbung der Haut und Schleimhäute), Wasseransammlung in der Bauchregion (Aszites), Blutungen aus Krampfadern der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) und des Magens oder neurologische Einschränkungen infolge einer sogenannten hepatischen Enzephalopathie.

Diagnose

Auffallend erhöhte Leberwerte bei der Blutuntersuchung können auf eine AIH hinweisen. Erhärtet wird der Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung durch den Nachweis spezieller Autoantikörper und einer Erhöhung sogenannter Immunglobuline. Bei der Autoimmunhepatitis ist meist insbesondere das Immunglobulin G (IgG) erhöht.

Diagnostisch beweisend für eine AIH ist der alleinige Nachweis von Autoantikörpern allerdings nicht. Daher müssen stets andere potenzielle Ursachen der Symptome und der auffälligen Blutwerte ausgeschlossen werden. Hierzu gehören u. a. infektiöse Ursachen (virale Infekte), toxische (Medikamente, Alkohol), metabolische (Fettleber, Eisen- oder Kupfer-Speicherkrankheit) oder andere autoimmun bedingte Lebererkrankungen (primär biliäre Cholangitis, primär sklerosierende Cholangitis).

Beim Verdacht auf eine chronische Lebererkrankung und speziell auf eine Autoimmunhepatitis wird der Arzt/die Ärztin den Patienten/die Patientin genauestens nach dessen/ihren Beschwerden fragen. Er/Sie wird im Gespräch versuchen, die Vorgeschichte (Anamnese) zu ermitteln, also wissen wollen, wann die Beschwerden erstmals aufgetreten sind und welchen Verlauf sie genommen haben. Hierbei sollte gezielt nach Müdigkeit und Gelenkbeschwerden gefragt werden.

Der Arzt/die Ärztin wird ferner nach anderen Autoimmunerkrankungen des Patienten/der Patientin fragen. Außerdem werden in der Regel Fragen zur Einnahme von Medikamenten (auch solchen aus der Naturheilkunde) und zum Alkoholkonsum gestellt, um andere Ursachen einer Lebererkrankung ausschließen zu können.

Bei der sich anschließenden körperlichen Untersuchung wird der Arzt/die Ärztin den Bauchraum abtasten und insbesondere prüfen, ob die Leber vergrößert oder druckempfindlich ist. Er/Sie wird außerdem nachschauen, ob es Zeichen einer Leberzirrhose wie beispielsweise Lebersternchen (Spider naevi), eine Gelbfärbung der Haut und/oder insbesondere rote Handinnenflächen (Palmaerythem) gibt.

Typisch für eine AIH ist vor allem das Auftreten von Autoantikörpern, also von Antikörpern gegen körpereigene Strukturen, die bei einer Blutuntersuchung ermittelt werden können. Für das Vorliegen einer AIH spricht der Nachweis von

  • Antikörpern gegen nukleäre Antigene, also gegen den Zellkern gerichtete Antikörper, kurz ANA
  • Antikörpern gegen glatte Muskelzellen, aus dem Englischen für Anti-smooth Muscle Antibodies, kurz SMA sowie
  • Antikörpern gegen lösliches Leberantigen, kurz SLA/LP (Soluble Liver Antigen/Liver Pancreas).

Üblicherweise dienen auch bildgebende Verfahren dazu, die Diagnose einer AIH und möglicherweise einer bereits vorliegenden Leberfibrose oder Leberzirrhose zu sichern. Zum Einsatz kommt zunächst meist eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie), da diese einfach durchzuführen und für den Patienten/die Patientin nicht belastend ist.

Ein weiteres, zunehmend häufiger eingesetztes Verfahren ist die sogenannte Fibro-Scan-Untersuchung, bei der die Gewebesteifigkeit der Leber analysiert wird. Mit dem Fibro-Scan sind eine Leberfibrose, aber auch entzündliche Veränderungen in der Leber und eine Leberschwellung nachzuweisen.

Um die Diagnose einer AIH abzusichern, wird in aller Regel auch eine Leberbiopsie durchgeführt und das dabei entnommene Gewebe mikroskopisch untersucht (histologische Untersuchung). Der histologische Nachweis einer entzündlichen Lebererkrankung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Diagnose „Autoimmunhepatitis“. Es geht bei der Untersuchung ferner darum das Ausmaß der Erkrankung zu beurteilen.

Therapie

Die Autoimmunhepatitis ist nicht heilbar. Ziel der Therapie ist zum einen die Linderung der Beschwerden. Zum anderen geht es darum, ein Fortschreiten der chronischen Lebererkrankung hin zu Leberfibrose oder Leberzirrhose zu verhindern.

Die Autoimmunhepatitis spricht in aller Regel gut auf Medikamente an, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva). Die Patient*innen werden üblicherweise in der akuten Krankheitsphase mit Kortikosteroidpräparaten (gemeinhin als Kortisonpräparate bekannt) behandelt. Dadurch wird die übersteigerte Immunreaktion reduziert mit dem Ziel eine gute Krankheitskontrolle (Remission) mit Normalwerten der Transaminasen und des IgGs zu erwirken. Es schließt sich eine langfristige Behandlung mit einem Immunsuppressivum an, um die Remission zu erhalten (Erhaltungstherapie). Dabei kann die Anwendung lokal wirksamer Kortisonpräparate dazu beitragen, die Häufigkeit steroidtypischer Nebenwirkungen zu verringern.

Nach rund zwei Jahren der Medikamenteneinnahme kann ein Auslassversuch (Ausschleichen der Medikamente) durchgeführt werden. Kommt es in der Folge zu einem erneuten Krankheitsschub, muss die medikamentöse Therapie wiederaufgenommen und dann meist lebenslang fortgeführt werden.

Bei fortschreitendem Verlauf der Erkrankung oder bei dekompensierter Leberzirrhose sollte mit einem Transplantationszentrum Kontakt aufgenommen werden.

Wie bei allen chronischen Lebererkrankungen sind allgemeine leberschonende Maßnahmen wichtig, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. So sollte beispielsweise möglichst auf Alkohol und/oder Nikotin verzichtet werden.

Da die AIH zunächst mit Kortikosteroiden behandelt wird, sind Maßnahmen ratsam, die Nebenwirkungen dieser Medikamente entgegenwirken. Durch eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensführung mit regelmäßiger sportlicher Betätigung können bei chronischer Lebererkrankung das Befinden gebessert und Mangelerscheinungen vermieden werden. Es sollte außerdem auf eine ausreichende Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr geachtet werden, um die Knochen vor Knochenschwund (Osteoporose) zu schützen.

Verlauf und Prognose

Es gibt Menschen, bei denen eine AIH vorliegt, ohne Beschwerden zu verursachen. Die Erkrankung wird dann häufig per Zufall z.B. im Zuge einer Routineuntersuchung diagnostiziert. Bei rund 25 bis 35 Prozent der Betroffenen macht sich die Erkrankung jedoch mit einer akuten Hepatitis (Leberentzündung) bemerkbar und geht dann in eine chronische Lebererkrankung über.

Unbehandelt kann die Autoimmunhepatitis die allgemeine Lebenserwartung erheblich verkürzen. In aller Regel sprechen Patient*innen mit einer AIH aber gut auf eine medikamentöse Therapie an. Sofern sich noch keine Leberzirrhose entwickelt hat, weisen diese Patient*innen eine gute Langzeitprognose mit normaler Lebenserwartung und guter Lebensqualität auf. Allerdings ist zumeist eine lebenslange Einnahme von Medikamenten erforderlich.