Colitis ulcerosa
Colitis ulcerosa gehört zur Gruppe der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Weitere Erkrankungen aus dieser Gruppe sind Morbus Crohn sowie die mikroskopischen Kolitiden lymphozytäre und kollagene Kolitis.
Die CED sind durch chronische Entzündungsprozesse gekennzeichnet. Diese entwickeln sich vor allem im Darm, wobei die auftretenden Beschwerden je nach Krankheitsbild unterschiedlich sein und auch Bereiche außerhalb des Darms betreffen können.
Definition
Entzündungsprozesse bei der Colitis ulcerosa sind auf den Dickdarm (Kolon) und dort auf die Schleimhaut (Mukosa) beschränkt. Die Entzündung geht meist vom Mastdarm (Rektum) aus und kann sich von dort kontinuierlich über den gesamten Dickdarm ausdehnen. Bei der Mehrzahl der Patient*innen ist die Entzündung jedoch auf den absteigenden (linksseitigen) Dickdarm beschränkt. Häufig kommt es dabei in der betroffenen Darmregion zur Bildung von Geschwüren (Ulzera). Phasen der aktiven Erkrankung (akuter Schub) wechseln sich mit beschwerdefreien Phasen (Remission) ab.
Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose weisen schätzungsweise 30%der Colitis ulcerosa Patient*innen eine Entzündungsaktivität im Bereich des Rektums (Proktitis) und/oder des Colon sigmoideum (Proktosigmoiditis) auf. Trotz der begrenzten Ausbreitung der Entzündung leiden Patient*innen mit Proktitis ulcerosa häufig an belastenden Symptomen wie rektalen Blutungen, Stuhldranggefühl, Tenesmen oder fäkaler Inkontinenz. Darüber hinaus kann bei einem substanziellen Anteil der Proktitis-Patient*innen auch eine spezielle Art der Verstopfung – eine sogenannte proximale Konstipation – auftreten. Diese Symptome haben, sofern nicht therapeutisch kontrolliert, einen erheblichen negativen Einfluss auf die Lebensqualität dieser Patientinnen und Patienten.
Die Ursachen der Colitis ulcerosa sind bislang nicht genau bekannt. Generell wird bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ein Zusammenspiel von genetischen und immunologischen Faktoren sowie Umwelteinflüssen und der Darmflora (Mikrobiota) vermutet. Dabei können psychische Faktoren und Stress bei bestehender Erkrankung einen akuten Schub auslösen, die eigentliche Krankheitsursache sind sie nach derzeitigem Wissensstand jedoch nicht.
Schätzungen zufolge leiden in Deutschland ca. 410 von 100.000 Einwohner*innen an einer Colitis ulcerosa (Prävalenz). Innerhalb Europas besteht jedoch ein Nord-Süd-Gefälle (mehr Erkrankungen im Norden). Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, ein Häufigkeitsgipfel der Neuerkrankungen (Inzidenz) wird zwischen dem 25. und dem 35. Lebensjahr beobachtet. Die Erkrankung ist zwischen den Geschlechtern annähernd gleich verteilt.
Die Symptomatik der Colitis ulcerosa hängt u.a. von der Ausdehnung der Entzündung und eventuell bestehender, außerhalb des Darmes auftretender Beschwerden ab. Die Schwere der Symptome korreliert dabei nur bedingt mit der Schwere der Entzündung.
Blutig, schleimige Durchfälle (Diarrhoe), auch nachts, sind das Leitsymptom einer Colitis ulcerosa. Weitere Symptome sind Bauchschmerzen, die oft von einer bestimmten Stelle ausgehen (häufig im linken Unterbauch), aber auch den gesamten Bauch erfassen können. Sie können krampfartig wie auch anhaltend auftreten. Zu den weiteren Beschwerden gehören Blähungen, Stuhldranggefühl (fecal urgency), bei schweren Verläufen auch Fieber und Gewichtsverlust. Typischerweise beginnt die Erkrankung schleichend, aber auch bereits bei Diagnose sind schwere, akut verlaufende (fulminante) Fälle bekannt.
Es kann bei Colitis ulcerosa außerdem zu allgemeinen Krankheitszeichen wie z. B. Leistungsabfall, Müdigkeit oder Appetitverlust kommen. Bei länger anhaltenden, blutigen Durchfällen kann sich im Zuge der Erkrankung auch eine Blutarmut (Anämie) entwickeln, da dem Körper mit dem Blut zugleich Eisen verloren geht.
Einige Patient*innen mit Colitis ulcerosa zeigen auch Krankheitserscheinungen außerhalb des Darms, sogenannte extraintestinale Manifestationen. Dabei können Leber, Gallengänge, Bauchspeicheldrüse, Haut, Augen sowie Gelenke betroffen sein. Der Verlauf dieser Erkrankungen kann mit dem Verlauf der Grunderkrankung korrelieren oder aber unabhängig davon einhergehen. Extraintestinale Manifestationen können bereits vor Auftreten der eigentlichen Darmentzündung Beschwerden verursachen.
Komplikationen im Zusammenhang mit einer Colitis ulcerosa treten meist bei Patient*innen auf, bei denen der gesamte Dickdarm entzündet ist (Pankolitis). Schwere Blutungen sowie ein Darmdurchbruch (Perforation) in Folge einer Engstelle sind seltene akute Komplikationen, die meist einen Notfalleingriff erfordern.
Patient*innen mit Colitis ulcerosa haben ein gegenüber der gesunden Bevölkerung erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Das Risiko steigt mit einem frühen Krankheitsbeginn, der Krankheitsdauer sowie der Ausdehnung der Entzündung. Deshalb sollten sich die Patient*innen nach einer 10-15 Jahre bestehenden Erkrankung in regelmäßigen Abständen einer Früherkennungs-Untersuchung auf Darmkrebs unterziehen (Darmspiegelung).
Diagnose
Bei Menschen mit den beschriebenen Beschwerden ergibt sich die Verdachtsdiagnose einer Colitis ulcerosa. Ob sich diese erhärtet, wird üblicherweise anhand der Vorgeschichte (Anamnese) des Patienten/der Patientin, der klinischen Untersuchung sowie weiterer diagnostischer Verfahren geprüft.
Bei der Anamnese werden die Krankheitsgeschichte des Patienten/der Patientin, die aktuellen Beschwerden sowie deren Dauer und Schwere erfasst.
Außerdem erfragt der Arzt/die Ärztin, ob Colitis ulcerosa oder eine andere chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED) in der Familie vorliegen. Er wird ferner fragen, ob es weitere Beschwerden gibt, die möglicherweise auf Entzündungsprozesse außerhalb des Darmbereichs (extraintestinale Manifestationen) hinweisen können.
Während einer körperlichen Untersuchung werden der Bauch ab- und der Enddarm ausgetastet. Das Abhören von Darmgeräuschen oder das Abklopfen von Organen kann erste Hinweise auf organische Veränderungen im Bauchraum geben.
Zusätzliche Laboruntersuchungen z.B. allgemeine Blutwerte und Entzündungswerte wie dem sogenannten C-reaktiven Protein (CRP) und bei Bedarf mikrobiologische Untersuchungen geben weiteren Aufschluss. Aus diesen lassen sich zusammen mit der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) zum Beispiel Rückschlüsse über die Intensität der Entzündung ziehen. Außerdem wird häufig an einer Stuhlprobe der Calprotectin-Wert überprüft und bei unklaren Befunden werden ggf. Autoantikörper bestimmt.
Ein Augenmerk bei der körperlichen Untersuchung wird auch auf mögliche extraintestinale Manifestationen oder extraintestinale Komplikationen (z. B. Gallensteine, Nierensteine, Osteoporose) gelegt.
Körperliche Untersuchungen sollten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um den Krankheitsverlauf oder auch die Wirkungen von Medikamenten beurteilen zu können.
Weisen die Anamnese und die körperlichen Untersuchungen auf das Vorliegen einer Colitis ulcerosa hin, wird die Diagnose durch sogenannte bildgebende Verfahren erhärtet. Hierzu gehören insbesondere die Untersuchung per Ultraschall (Sonographie) sowie die Darmspiegelung (Koloskopie), bei welcher gleichzeitig Gewebeproben (Biopsien) für eine mikroskopische Bewertung entnommen werden können.
In speziellen Fällen können weitere Untersuchungen wie beispielsweise eine Röntgenuntersuchung des Darms notwendig werden. Außerdem kann bei besonderen Fragestellungen von dem Arzt/der Ärztin eine Computer- oder Kernspintomographie angeordnet werden.
Therapie
Wie eine Colitis ulcerosa behandelt wird, hängt von der Art und Schwere der Symptome, von der Stärke der Entzündung und von der Ausbreitung der Erkrankung ab. Ziel der Therapie ist es, die Entzündungen zurückzudrängen und Schleimhautveränderungen möglichst vollständig zurückzubilden (Mukosaheilung) sowie ein erneutes Aufflammen der Entzündung während der Ruhephasen der Erkrankung zu verhindern (Remissionserhaltung).
Die Behandlung basiert in aller Regel auf einer medikamentösen Therapie, wobei bei leicht- bis mittelschweren Entzündungsschüben Mesalazin verordnet wird. Dieser Wirkstoff ist in verschiedenen Darreichungsformen für die orale und rektale Anwendung verfügbar.
Bei einem schweren akuten Schub wird zusätzlich mit Kortikosteroidpräparaten (im Allgemeinen als Kortison bekannt) behandelt, um die Entzündungsaktivität rasch einzudämmen und den Darm so wieder in eine beschwerdefreie Phase (Remission) zu überführen. Besser verträglich als die klassischen, systemisch (im gesamten Körper) wirksamen Kortikosteroidpräparate ist der Wirkstoff Budesonid. Dieser hat den Vorteil, bei Anwendung einer für die Behandlung gastroenterologischer Erkrankungen entwickelter Formulierungen seine Wirkung lokal im Darm – direkt am Ort des Geschehens – zu entfalten. Budesonid wird anschließend vom Darm in die Leber transportiert und dort abgebaut. Dadurch kommt es deutlich seltener zu Nebenwirkungen als bei einer systemisch wirksamen Kortisonbehandlung.
Ist mit Mesalazin und Kortikosteroidpräparaten keine Beschwerdefreiheit zu erzielen, können Medikamente zum Einsatz kommen, die das Immunsystem in seiner Aktivität unterdrücken (Immunsuppressiva) oder Wirkstoffe (sogenannte Biologika), die gezielt Botenstoffe ausschalten, welche den Entzündungsprozess fördern.
Nach Abklingen der Beschwerden müssen die Patient*innen weiter Medikamente einnehmen, um den erzielten Behandlungserfolg möglichst dauerhaft zu erhalten (Erhaltungstherapie).
Obwohl es keine spezielle Diät bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gibt, spielt die Ernährung für die Erkrankung eine wichtige Rolle. Viele Patient*innen sind durch Appetitlosigkeit, Durchfälle und Gewichtsverlust unterernährt oder haben deutliche Mangelerscheinungen in Bezug auf Vitamine und Mineralstoffe. Daher kann es notwendig sein, zusätzlich gezielt diejenigen Nährstoffe zu ergänzen, bei denen ein Mangel diagnostiziert wurde.
Davon abgesehen, wird bei Colitis ulcerosa eine ausgewogene Ernährung im Sinne einer leichten Vollkost empfohlen. Es sollten allerdings Nahrungsmittel vermieden werden, die nicht gut vertragen werden (beispielsweise blähende Speisen). Das Führen eines Ernährungstagebuchs kann dabei eine wertvolle Unterstützung bieten.
Etwa drei Viertel aller Patient*innen mit Colitis ulcerosa sind mit einer medikamentösen Therapie erfolgreich zu behandeln. Allerdings sprechen manche Patient*innen auf die genannten Medikamente nicht ausreichend an und erreichen keinen Krankheitsstillstand. In solchen Fällen ist dann eine Operation zu erwägen, wobei meistens der gesamte Dickdarm entfernt wird (Kolektomie).
Bei der Operation wird aus Dünndarmschlingen üblicherweise eine kleine Tasche (Pouch) geformt, die als Ersatz für den Enddarm dient. Sie wird mit dem After verbunden, um so einen künstlichen Darmausgang (Stoma) zu vermeiden. Allerdings kann ein Stoma vorübergehend notwendig werden, damit sich das Operationsgebiet vom Eingriff erholen kann. In einer zweiten Operation wird das Stoma dann rückverlagert und eine natürliche Darmpassage weitgehend wiederhergestellt.
Kommt es im Verlauf der chronischen Darmentzündungen zu Mangelerscheinungen und Unterernährung, kann die zusätzliche Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen notwendig werden (siehe Diätetische Therapie).
Wie praktisch alle chronischen Erkrankungen kann Colitis ulcerosa für Betroffene eine erhebliche psychische Belastung darstellen, vor allem dann, wenn ein künstlicher Darmausgang gelegt werden muss. Eine spezielle Schulung im Umgang mit solch außergewöhnlichen Situationen und eine psychotherapeutische Begleitung zur Krankheitsbewältigung können daher sinnvoll sein. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen an Colitis ulcerosa erkrankten Menschen – beispielsweise im Rahmen von Selbsthilfegruppen – kann hilfreich sein.
Verlauf und Prognose
Colitis ulcerosa verläuft üblicherweise in Schüben, wobei sich Krankheitsphasen mit ausgeprägter Entzündung und beschwerdefreie Phasen abwechseln. Bei der Mehrzahl der Patient*innen gelingt es, die akuten Schübe durch eine gezielte medikamentöse Behandlung erfolgreich zurückzudrängen. Allerdings wird dadurch keine Heilung erreicht, die Entzündung kann theoretisch immer wieder aufflammen. Durch eine operative Entfernung des Dickdarms lässt sich bei der Mehrzahl der Patient*innen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erzielen, auch wenn eine Entzündung des Dünndarmreservoirs, also des Pouches (Pouchitis), nicht ausgeschlossen werden kann.
Wie die Erkrankung verlaufen wird lässt sich im Einzelfall nicht vorhersagen, sondern zeigt sich erst im Krankheitsverlauf.
Zu beachten ist ferner das erhöhte Darmkrebsrisiko. Regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung sind daher sehr wichtig, um in einem solchen Fall unverzüglich eine Behandlung einleiten und auffällig veränderte Strukturen im Darm (z.B. Polypen) entfernen zu können.